Geförderter Wohnungsbau 2025: Ist Wien ein Vorbild für Deutschland?
Während in vielen deutschen Städten die Mieten steigen und bezahlbare Wohnungen rar sind, zeigt Wien seit Jahren, dass es auch anders geht. Über 60 % der Wiener Haushalte leben in geförderten oder kommunalen Wohnungen – ein Anteil, von dem deutsche Kommunen nur träumen können. Die Stadt gilt als Vorreiter eines langfristig angelegten, gemeinwohlorientierten Wohnungsmarkts. 2025 wird in Deutschland intensiv darüber diskutiert, was sich von diesem Modell lernen lässt – und welche Grenzen die deutsche Förderpolitik setzt.
Wiens Erfolgsmodell im Überblick
Der Kern des Wiener Systems ist kontinuierliche öffentliche Förderung kombiniert mit kommunaler Bodenpolitik. Seit Jahrzehnten verfolgt die Stadt das Ziel, den Wohnungsmarkt aktiv zu steuern, nicht nur zu regulieren.
- Langfristige Bindungen: Geförderte Wohnungen unterliegen meist einer Mietpreisbindung über 40 Jahre und bleiben dauerhaft im Bestand.
- Städtisches Eigentum: Rund ein Viertel aller Wohnungen in Wien gehört der Stadt selbst („Gemeindebauten“).
- Private Bauträger im Auftrag der Stadt: Genossenschaften und gemeinnützige Unternehmen bauen nach sozialen Kriterien, erhalten Zuschüsse und günstige Grundstücke.
- Transparente Vergabe: Bewerbungen erfolgen über ein zentrales System, Einkommensgrenzen sichern soziale Durchmischung.
Ergebnis: Wien hat im europäischen Vergleich niedrigste Mietsteigerungen, hohe Wohnzufriedenheit und einen stabilen Markt, auch in Krisenzeiten.
Deutschland 2025: Förderung ohne ausreichende Wirkung
Trotz Milliardenförderung bleibt der soziale Wohnungsbau in Deutschland unter Druck. Laut dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) fallen jährlich mehr geförderte Wohnungen aus der Bindung, als neue entstehen. 2025 rechnet das Institut mit nur rund 23.000 neu gebundenen Einheiten – deutlich weniger als der tatsächliche Bedarf.
Das Bau- und Wohnungsministerium (BMWSB) hat darauf reagiert und mit der Wohnraumförderungsnovelle 2025 (im Rahmen des Wachstumschancengesetzes) neue Instrumente beschlossen:
- höhere Zuschüsse für energieeffiziente Sozialwohnungen,
- vereinfachte Vergabe landeseigener Grundstücke,
- Möglichkeit, Fördermittel an kommunale Wohnungsbaugesellschaften zu bündeln.
Trotzdem bleiben die strukturellen Unterschiede zu Wien groß: Kommunen besitzen in Deutschland selten genügend Flächen, und die Zuständigkeit liegt auf Landesebene – was einheitliche Strategien erschwert.
Kassel und Nordhessen: Zwischen Förderbedarf und Praxis
Auch in Kassel ist der Druck auf den Wohnungsmarkt spürbar. Die Zahl der Sozialwohnungen sinkt, während Nachfrage und Mieten steigen.
Die Stadt reagiert mit kommunalen Förderprogrammen und einer Wohnraumoffensive, die gezielt genossenschaftliches Bauen und den Ankauf bestehender Objekte unterstützt. Das Land Hessen ergänzt diese Bemühungen durch das Wohnraumförderprogramm 2025, das Zuschüsse und zinsverbilligte Darlehen für den Bau und Erwerb preisgünstiger Wohnungen vorsieht.
Im Vergleich zu Wien ist die Struktur jedoch fragmentierter: Fördermittel müssen aufwendig beantragt werden, und viele Projekte scheitern an Grundstückskosten oder Fachkräftemangel. Dennoch entstehen in Kassel wieder vermehrt geförderte Neubauten – etwa im Stadtteil Bettenhausen und auf der Unterneustadt, wo neue Genossenschaftsprojekte bezahlbaren Wohnraum mit nachhaltiger Bauweise kombinieren.
Lässt sich das Wiener Modell übertragen?
Ein direkter Vergleich zeigt Chancen und Grenzen:
- Übertragbar ist Wiens Langfristansatz: Grundstücke im öffentlichen Eigentum, klare Förderlogik, Transparenz.
- Schwierig bleibt die Umsetzung in Deutschland, wo Förderprogramme meist befristet und kommunale Flächen knapp sind.
- Politisch bräuchte es eine stärkere Bündelung: ein dauerhaftes Bundesprogramm und kommunale Wohnungsfonds, um planbare Investitionen zu ermöglichen.
Viele Expert*innen fordern deshalb eine „neue Förderarchitektur“ – weniger Einzelprogramme, mehr Dauerstrukturen, angelehnt an Wien. Erste Impulse zeigen sich bereits: Städte wie Hamburg, München oder Freiburg experimentieren mit kommunalen Bodenfonds und Konzeptvergaben nach Wiener Vorbild.
Fazit
Wien zeigt, dass sozialer Wohnungsbau kein Kriseninstrument, sondern eine dauerhafte Infrastrukturaufgabe ist. Deutschland steht 2025 erst am Anfang einer solchen Strategie. Förderungen steigen, doch Bodenpolitik, Planungskapazitäten und Langfristbindung bleiben entscheidend.
Für Kassel und Nordhessen bedeutet das: Lokale Fördermodelle gewinnen an Bedeutung, um Mieten stabil zu halten und neuen Wohnraum zu schaffen. Wien ist kein 1:1-Vorbild – aber ein realistischer Maßstab dafür, wie soziale Verantwortung und Stadtentwicklung zusammengehen können.
Kommunen sollten Grundstücke strategisch sichern, Förderverfahren vereinfachen und langfristige Mietbindungen schaffen – damit bezahlbarer Wohnraum keine Ausnahme bleibt, sondern wieder Normalität wird.
Stand: Oktober 2025. Bitte aktuelle Förderberichte von BMWSB, BBSR und Land Hessen prüfen.
Quellen
- Stadt Wien: Wohnbau in Zahlen 2025 – wien.gv.at
- Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR): Wohnungsmarktbericht Deutschland 2025 – bbsr.bund.de
- Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB): Wohnraumförderung 2025 – bmwsb.bund.de
- Land Hessen: Wohnraumförderprogramm 2025 – wirtschaft.hessen.de
- Stadt Kassel: Wohnbauoffensive und kommunale Förderstrategie – kassel.de
- Deutscher Städtetag: Positionspapier zum sozialen Wohnungsbau 2025 – staedtetag.de


